Direkte Instruktion

Zusammenfassung

Direkte Instruktion (engl.: direct instruction, DI) ist ein Modell, dessen hohe Wirksamkeit empirisch gut belegt ist (Hattie 2009; Hattie & Anderman 2013). Gemäss den Forschungsergebnissen eignet sich DI besonders zum Aufbau von Grundlagenwissen. Auf den ersten Blick ist das Modell stark dozierendenzentriert: Die Lehrperson bestimmt die Ziele und die Standards zur Erfolgsbewertung, sie demonstriert den erwünschten Prozess bzw. die richtige Lösung modellhaft und erläutert mittels Kurzreferat. Dann lässt sie aber üben, gibt Rückmeldung, korrigiert und fasst am Schluss das Wesentliche zusammen. DI geht damit weit über einen «Standardmonolog» hinaus, welcher sich meist nur um die vierte der folgenden sieben Komponenten dreht.

Komponenten

Es werden primär sieben Komponenten erläutert, die den Charakter von DI ausmachen.

Plausible Lernziele

Lehrenden muss im Detail klar sein, welche Learning Outcomes am Ende der Lerneinheit erreicht werden sollen. Die Ziele müssen zu Beginn den Lernenden verdeutlicht und begründet werden. Als daraus abgeleitete Bedingung müssen transparente Beurteilungskriterien kommuniziert werden.

Voraussetzungen schaffen

Die Lehrperson prüft das Vorwissen der Lernenden, um es bei Bedarf mit angemessenen Mitteln zu nivellieren (z.B. durch Fragen im Plenum oder Selbst-Tests mit Auto- oder Peer-Feedback).

Anschaulicher Einstieg

Zur Heranführung an das Thema wird ein problemorientierter Einstieg präsentiert. Die Ausgangslage wird idealerweise mit Hilfe von Medien veranschaulicht, beispielsweise durch eine kurze Videosequenz oder eine illustrierte Fallbeschreibung.

Strukturierter Input

Die Lehrperson erläutert Kernkonzepte und zeigt modellhaft optimale Lösungen. Dabei sind gute inhaltliche Erläuterungen zentral. Durch Etikettierung, Kategorisierung oder Vergleiche wird den Zuhörenden die Orientierung erleichtert.

Angeleitetes Üben

Es folgt eine Übungssequenz, in der die Lernenden individuell dieselben Schritte durchspielen. Die Lehrperson muss beobachten, individuelle Rückmeldungen geben und allenfalls Korrekturen anbringen. Die Lernenden erhalten dadurch direktes und korrigierendes Feedback auf ihre Aktivität. Je nach Zeitbudget und Anzahl Teilthemen werden Punkt vier und fünf mehrfach durchlaufen.

Zielführender Abschluss

Auf die Abschlussphase wird viel Wert gelegt. Ein simples «Gibt es noch Fragen?» reicht nicht. Dozierende sollten hier zentrale Punkte zusammenfassen und Kernbotschaften nochmals formulieren und zu einem kohärenten Ganzen verbinden. Der Abschluss dient zur Klärung und zum Schliessen allfälliger Lücken.

Individuelle Anwendung

Die Anschlussphase kann je nach Zielsetzung unterschiedlich gestaltet sein. Ziel ist die Anwendung des Gelernten im Sinne eines Transfers auf ähnliche Aufgaben und Sachverhalte. Dies kann in Form individueller Aufträge nach der Lerneinheit (z.B. mit kommentierten Beispielen) oder als kooperative Lernsequenz organisiert werden. In jedem Fall muss zu einem späteren Zeitpunkt auf die Lösungen der Transferaufgaben eingegangen werden.

Erfolgskriterien

Die Wirkung von direkter Instruktion kann anhand eines Beispiels aus einem Lateinkurs gut gezeigt werden:

Die dozierende Person begrüsst, die Studierenden öffnen ihre Übungshefte. Vorbereitend mussten Lücken in den Lateintexten mit den korrekten Satzteilen und den Verben in richtiger Deklination eingefügt werden. Als Einleitung ging ein kurzer Text zum Kontext der Übung voraus. Die dozierende Person lässt nun die Einleitung nochmals laut vorlesen. Sie ergänzt mit eigenen kurzen Erläuterungen, worum es in der Übung geht und illustriert dies durch Nennung und Begründung der ersten beiden Lösungseinträge. Danach ruft sie reihum die Teilnehmenden auf, damit diese ihre Lösungen in den Textlücken vorlesen. Auf Stirnrunzeln in der Gruppe oder verbale Signale von Unverständnis reagiert sie sofort und erläutert an der Wandtafel kurz die Begründung der entsprechenden Lösung. Auf dieselbe Art reagiert sie auf falsche Lösungen der Aufgerufenen. Danach fordert sie Satz für Satz die mündliche Übersetzung ein und ruft auch dazu einzelne Teilnehmende auf. Sie ergänzt, korrigiert und erläutert, wenn keine passgenaue Übersetzung kommt. Dabei nutzt sie Querbezüge, weist auf bereits bekannte Regeln hin oder begründet den Ausschluss falscher Vorschläge. Immer wieder fragt sie in die Runde um abzusichern, ob allen klar ist, weshalb diese oder jene Lösung die korrekte ist. Ihre Erläuterungen illustriert sie an der Wandtafel. Es entwickelt sich ein interaktiver Frontalunterricht, in dem sich kaum jemand zurücklehnen kann. Danach folgt eine etwa viertelstündige Sequenz, während der die Gruppe eine weitere Lückentextaufgabe von vergleichbarer Art löst. Sie geht durch die Reihen, um sich ein Bild zu machen und bei Bedarf korrigierende Hinweise zu geben. Kurz vor Schluss bittet sie nochmals um Aufmerksamkeit und bringt die relevanten Grammatikregeln der aktuellen Lerneinheit nochmals auf den Punkt und gibt einige Hinweise zu den Hausaufgaben.

Auf den ersten Blick sieht diese Lektion wie antiquierter Frontalunterricht aus. Die Faktoren wirksamer Lehre sind jedoch leicht zu erkennen.

Transparenz

Das Ziel ist klar, die Lücken müssen korrekt gefüllt sein, die Kriterien basieren auf korrekter Grammatik. Auch das Lernszenario ist einfach nachvollziehbar für alle. Im Vorfeld werden Übungen gelöst, im Unterricht gibt die dozierende Person kommentiertes Feedback. Wenn noch Zeit bleibt, wird mit den nächsten Übungen begonnen.

Kognitive Aktivierung

Selbständiges Herleiten der richtigen Formen ist die Grundlage für korrekte Einträge. Während der Plenarrunde sind alle gefordert, eine Übersetzung gedanklich vorzubereiten, da man jederzeit aufgerufen werden kann.

Feedback

Die dozierende Person reagiert kleinschrittig auf Lösungen. Wesentlich ist aber, dass es nicht bei «richtig» oder «falsch» bleibt, sondern die jeweilige Lösung von ihr für alle nachvollziehbar kommentiert wird. In dieser informativen Rückmeldung liegt das grosse Lernpotential.

Adaptive Lehre

Im Diskurs mit der Gruppe erkennt sie falsche Annahmen sofort und reagiert mit entsprechenden Erläuterungen direkt. Das kann leicht dazu führen, dass sie ihre ursprüngliche Lektionsplanung verlassen muss.

Ergänzende Anmerkungen

Die beschriebene «Originalversion» der direkten Instruktion erfordert bei Schritt fünf, dass die Lehrperson die kurze Übungssequenz gut überwacht, um rechtzeitig korrigierendes Feedback zu geben. Dies ist bei einer Seminargruppengrösse bis ca. 25 Teilnehmenden noch machbar, in einem Vorlesungssaal allerdings schwierig zu realisieren. Es ist aber durchaus denkbar, dass im Rahmen von Buzz-Groups die Studierenden einen klar definierten Ergänzungsauftrag zu gegenseitigem Feedback erhalten. Von Bedeutung ist zudem ein anschaulicher Einstieg mit Hilfe einer für alle gut nachvollziehbaren Ausgangslage. Dazu sollte auch hier auf etwa zwanzigminütige gut durchdachte Präsentationsphasen gebaut werden.

DI ist in den USA «eine grosse Sache» und wird sogar durch ein nationales Institut gefördert (National Institut for Direct Instruction: www.nifdi.org), das den Anspruch hat, sämtliche verfügbaren Informationen zu sammeln und zu veröffentlichen. Auf der Webseite werden sogar Erklärvideos zu DI angeboten. Die Forschungsbasis scheint enorm breit zu sein und umfasst offenbar mehrere hundert Studien aus den vergangenen vierzig Jahren.